DER GRÜNDER |
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Kurt Thomas (1904 – 1973), war Professor für Chorleitung an den Musikhochschulen in Leipzig, Berlin und Detmold sowie Thomaskantor in Leipzig von 1957 bis 1961. Seine frühen Großwerke für Chor a cappella entstanden ab 1924 und waren damit die ersten, die die geistige Rückbesinnung auf das Erbe abendländischer Geschichte in einer neuen Tonsprache zu formen verstanden, welche kirchentonales Material mit der freien Klanglichkeit der Impressionisten verschmolz. |
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Die Aufführung der Messe in a op.1 auf dem Deutschen Tonkünstlerfest am 16. Juni 1925 in Kiel wirkte wie ein Signal für den weiteren Weg, künftigen Sinn und Form der deutschen Chormusik. Neben der fest im Repertoire verankerten, 1927 mit dem staatlichen Beethoven-Preis ausgezeichneten Markus-Passion op.6 für vier- bis achtstimmigen gemischten Chor a cappella – sie entstand nach dem Leitbild der motettischen Johannes-Passion von Leonhard Lechner (1593) – fand vor allem der 1925 uraufgeführte Psalm 137 „An den Wassern zu Babel“ für zwei gemischte vierstimmige Chöre a cappella lebhaftes Interesse und zahlreiche Aufführungen. Das etwa fünfzehnminütige Werk ist signifikant „Meister Arnold Mendelssohn in Dankbarkeit und Verehrung“ gewidmet. Thomas schreibt eine in allen Details optimal klingende Reihenform, in der sich die ausführliche Kenntnis und meisterliche Beherrschung chorischer Stimmkombinationen sowie der stimmlagengemäßen Klangfarbenkunst seines Lehrers widerspiegelt. Kurt Thomas vermochte die klangschöne Tonsprache seiner genialen Frühwerke über das abendfüllende A-cappella-Weihnachtsoratorium op. 17 und die Kleine geistliche Chormusik op. 25 mit ihren 19 Einzelstücken zum Kirchenjahr wie auch über die gern gesungenen Madrigalzyklen op. 27 und op. 31 weiterzuentwickeln, zu straffen und zu läutern. Von seinen dem mittleren Hindemith nahestehenden Spätwerken sind die fünf Frauenchöre op. 32, die Eichendorff-Kantate op. 37 für Bariton-Solo, gemischten Chor, FIöte und Streicher sowie die Drei gemischten Chöre op. 40 mit Klavierbegleitung hervorzuheben. Das Frankfurter Musikleben der vierziger und fünfziger Jahre verdankt Kurt Thomas bedeutende, bis in die Gegenwart fortwirkende Impulse. Eine ganze Generation erfuhr ihre entscheidende musikalische Prägung durch sein Wirken und seine Ausstrahlung als Chorleiter, Komponist und Lehrer. Als er 1939 seine Professur an der Berliner Musikhochschule aufgeben mußte, um die Leitung des neubegründeten „Musischen Gymnasiums“ in Frankfurt zu übernehmen, trat er ein heikles Amt an, doch die Idee eines Gymnasiums mit Musik als zentralem Fach entstand lange vor der NS-Zeit. Sie geht zurück auf Leo Kestenberg, den Musikreferenten des preußischen Kultusministeriums in den zwanziger Jahren und lebt in den „Musischen Zweigen“ der höheren Schulen fort. Ihre Fruchtbarkeit erwies sich schon in den wenigen Jahren ihrer Realisierung in Frankfurt. Zahlreiche namhafte Musiker gingen aus dem Musischen Gymnasium hervor, so die Dirigenten Horst Stein und Hans Drewanz, die Komponisten Alfred Koerppen und Siegfried Strohbach, die Pianisten Werner Hoppstock und Günter Ludwig, der spätere Thomaskantor Hans-Joachim Rotzsch, der Chorleiter und Komponist Clytus Gottwald aber auch der Schauspieler Hans Clarin, die Jazzmusiker Lennie Cujé und Paul Kuhn. Wenn Thomas mit dem Chor seiner Schule eine Bach-Motette darbot, wurde die Leipziger Bach-Tradition seines Lehrers Karl Straube und des Thomanerchors lebendig: Beide Chöre rekrutierten sich, wie zu Bachs Zeiten, ausschließlich aus Knabenstimmen. Da Thomas aber zugleich die Leitung des Cäcilien-Vereins übernommen hatte, waren ihm auch Aufführungen der großen Oratorien von Bach, Haydn, Brahms und Verdi anvertraut – von 1940 bis zur Zerstörung des Saalbaus (1943) und dann nochmals von 1950 bis 1956. Das Musische Gymnasium wurde 1945 aufgelöst, doch schon bald scharte
sich ein Kreis ehemaliger und neuer Schüler um Thomas. In der materiellen
und geistigen Not der Zeit faßte er – unterstützt durch
Pfarrer Schmidt von der Dreikönigsgemeinde – den Plan, einen
A-cappella-Chor zu gründen, eine Idee, die sich als überaus
wertvoll und fruchtbar erwies. Jungen Menschen im Umgang mit Werken Bachs
und älterer Meister dauerhafte Werte zu vermitteln, ihnen ein geistiges
und künstlerisches Ziel aufzuzeigen, all dies inmitten der trostlos
zerstörten Stadt – erst aus historischer Distanz läßt
sich ganz ermessen, was diese Initiative für das Frankfurter Musikleben
und zumal für die Jugend bedeutete. Der Zustrom musikalisch begabter
und stimmlich befähigter junger Menschen ließ in kurzer Zeit
einen außerordentlich leistungsfähigen, jugendlichen Chor entstehen,
der sein Zentrum an der Dreikönigskirche fand, binnen weniger Jahre
aber als „Frankfurter Kantorei“ internationales Ansehen errang. Weitere Inoformationen zu Kurt Thomas: |